BSE bei Regenwürmern?
Das Thema ergab sich, da ein Gründer einer Wurmfarm berichtete, die Genehmigungsbehörden hätten ihm diese Frage gestellt.
Vorab: Die Frage erscheint weit hergeholt und es spricht bisher praktisch nichts dafür, dass
Regenwürmer im Zusammenhang mit BSE eine Rolle spielen.
Wir leben jedoch in einer Welt, die immer komplexer wird. Vor Überraschungen kann man da nie ganz sicher sein. Deshalb sollen hier einmal die vorhandenen
Erkenntnisse zu dem Thema gesichtet werden, um zu einer fundierteren Einschätzung zu gelangen.
BSE selbst (Gehirnschwamm bei Rindern, Rinderwahnsinn) kann bei Regenwürmern natürlich definitionsgemäss nicht vorkommen.
Die Speziesbarriere wurde jedoch durch die Infektionsauslöser (Prionen?) schon mehrmals durchbrochen. Oft waren hierfür drastische experimentelle Methoden notwendig
(z.B. Injektion von hochinfektiösem Material direkt in das Gehirn).
Der "übertragbare Gehirnschwamm" (TSE, wozu BSE gehört) wurde bisher bei folgenden Tieren diagnostiziert:
Rinder
Zoo-Ungulaten: Nyala, Spiessbock, Elen-Antilope, Grosskudu, Arabisches Oryx, Bison, Ankole-Kuh
Schafe, Moufflons, Ziegen
Cervidae: Grossohrhirsch, Weisswedelhirsch, Schwarzwedelhisch, Wapiti
Nerze
Feliden: Hauskatze, Puma, Gepard, Ozelot, Tiger, Löwe
Primaten: Rhesusaffen, Lemuren
Labornager (insbesondere Hamster und Mäuse)
Quelle: http://www.neurocenter-bern.ch/tse.shtml
Schwein: 1979 konnte man die Kuru-Krankheit (eine menschliche TSE-Krankheit) künstlich auf Schweine übertragen. 1990 wurden Schweine offenbar auch mit BSE-Erregern infiziert. Auf oralem Weg war eine Infektion nicht möglich.
Wie oben erwähnt, ist die Übertragung von TSE auf andere Spezies ist in der Regel nicht einfach. Die Übertragbarkeit hängt auch stark von der Art des TSE-Erregers ab (Scrapie, BSE, CFJ usw.).
Wie man sieht, handelt es sich bei den oben angeführten Tieren ausschliesslich um Säugetiere. Daher erscheint eine entsprechende Krankheit bei Regenwürmern schon aus diesem Grund sehr unwahrscheinlich.
Abgesehen davon, könnte man auch sagen, dass ein Regenwurm über zu wenig Nervenzellen (kein Gehirn) verfügt, um einen "Gehirnschwamm" zu bilden. Immerhin könnte man sich auch theoretisch eine Beeinträchtigung des Nervensystems eines Regenwurms vorstellen.
Man müsste einmal abklären, ob sich bei Regenwürmer überhaupt Prion-Proteine finden, denn für die TSE-Symptomatik werden diese verantwortlich macht. In allen Säugetieren die eine TSE-Symptomatik zeigten, wurden Prion-Proteine nachgewiesen.
Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass 1986 in einem deutschen Zoo bei einem Strauß eine spongiforme Enzephalopathie diagnostiziert wurde. Ob hier ein Zusammenhang mit BSE besteht ist offen. Auch andere neurodegenerative Ursachen können nicht ausgeschlossen werden.
Es handelt sich anscheinend um den einzigen Bericht einer spongiformen Enzephalopathie bei einem Vogel.
Die Infektionserreger sind extrem resistent gegen Hitze und Chemikalien und bleiben im Boden jahrelang infektiös.
Ob Regenwürmer bei der Übertragung von TSE auf kontaminierten Weiden eine Rolle spielen könnten, wäre im Moment wohl eine reine Spekulation. Wissenschaftliche Erkenntnisse hierzu sind mir zumindest nicht bekannt. Genauso könnte man spekulieren, ob Regenwürmer nicht eine kontaminierte Weide dekontaminieren könnten, etwa aufgrund der hohen mikrobiologischen und enzymatischen Aktivität im Darm der Würmer.
Über das Vorkommen und Verhalten von BSE/TSE-Prionen im Boden kann man sich hier informieren: http://www.bmu.de/files/pdfs/allgemein/application/pdf/bse_tse.pdf
Zusammengefasst gibt es wohl bisher keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass Regenwürmer an einer BSE/TSE-ähnlichen Symptomatik erkranken könnten oder bei der Übertragung eine Rolle spielen können.